Theodor Körner - online
Ein Dichterporträt
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Gedichte und Lieder
Aus der Wiener Zeit

Der Poet mit Gitarre und Säbel

„Ihr Lieben. So eben komme ich aus dem Burg-Theater, wo zum
erstenmale meine beiden kleinen Stücke mit einem  Beifall gegeben wurden, den ich mir als Anfänger nicht geträumt hatte. Das Haus war wider Gewohnheit an einem Wochentage gedrückt voll...Als gleich nach der ersten  Scene geklatscht wurde, bekam ich bald Muth.

... So wäre denn mit Gott der Anfang gemacht. Morgen und übermorgen giebt man die Stücke wieder, und ich bin sehr neugierig, wie lange sie sich in der theilweis  sehr unverdienten Gunst halten werden...“

Der junge Mann, der am 17. Januar 1812 von Wien aus seiner Familie in Dresden über seinen ersten glücklichen Theatererfolg berichtete, war ein 20jähriger Dresdner, Carl Theodor Körner. Sein Vater, der sächsische Appellationsrat Christian Gottfried Körner, gehörte in Dresden zu den angesehenen Honoratioren der Stadt. Seine Mutter, Maria Jakobine Stock, war eine liebenswürdige und musisch aufgeschlossene Frau, Tochter eines angesehenen Leipziger Kupferstechers.

In Körners Elternhaus hatte man Sinn für geistreiches Gespräch, Poesie, Musik und Malerei. Der Vater war vielseitig interessiert, besonders an der Musik; er schrieb eigene Kompositionen und betrieb bis in seine letzten Lebenstage hinein philosophische Forschung.

 

Christian Gottfried Körner

Zeichnung von 1790

 

Das Haus der wohlhabenden Familie Körner war der Treffpunkt von Gelehrten und Künstlern. Die Zahl der illustren Gäste ist fast nicht zu nennen: Neben der Herzogin Amalia waren dies Karoline von Wolzogen, Alexander und Wilhelm von Humboldt, die Schriftsteller Novalis und Tieck; auch die Brüder Schlegel und - seit 1807 -  Heinrich von Kleist gehörten zu den Gästen der Familie, ebenso wie der dänische Dramatiker Adam Gottlob Oehlenschläger.

Die Bekanntschaft mit Goethe, mit dem in freundschaftlichem Ton Briefe gewechselt wurden, unterstreicht das Interesse der Eltern für Literatur und Theater. In ihrem Haus fanden Kammerkonzerte statt; zu den gelegentlichen Zer­streuungen bei den häuslichen Abendgesellschaften gehörten aber auch Aufführungen von Komödien. Im Sommer verbrachte man gern die Tage bei Loschwitz an der Elbe. Dort besaß die Familie Körner einen Weinberg und ein Ferienhaus.

Pavillon der Familie Körner in Dresden-Loschwitz

Pavillon im Weinberg der Familie Körner in Dresden-Loschwitz

Hier traf man sich mit den Freunden zu anregenden und geistreichen Unterhaltungen, denen Theodor und seine drei Jahre ältere Schwester Emma bisweilen zuhören durften. Besonders freundschaftlichen  Kontakt hatten die Eltern über zwanzig Jahre lang zu Friedrich Schiller, der wiederholt längere Zeit bei ihnen verbrachte.

 


K ö r n e r s  J u g e n d;  d i e  B e r g a k a d e m i e

 

Ein literarisch und künstlerisch aufgeschlossenes Elternhaus war also das Umfeld, in dem Karl Theodor Körner, am 23.9.1791 geboren, aufwuchs. Er war von zarter Konstitution. Schon sehr früh entwickelte sich sein musikalisches Talent; als Fünfjähriger erhielt er seine erste Gitarre. Gitarre zu spielen machte ihm besonderes Vergnügen, aber mit großer Faszination hörte er als Kind schon den Gesprächen seines Vaters mit Schiller zu. Besonders beeindruckten ihn die Gedichte und Balladen Schillers, die sein erstes Interesse für die Poesie prägten. 1804 übernahm er bei einer häuslichen Lesung die Rolle des Knaben Tell, die er frei deklamieren  konnte. Der Tod des Dichters im Jahr 1805 erschütterte die Familie Körner sehr.

Angeregt durch die Lesungen und kleinen Theateraufführungen im Elternhaus, wurde auch in Theodor ein großes Verlangen nach literarischer Betätigung wach. 1806 schrieb er ein kleines Versspiel „Amor und seine Heerscharen“. Zunächst von Privatlehrern unterrichtet, kam er als 14jähriger auf die Kreuzschule in Dresden. Der Vater hatte Theodors Talent durchaus erkannt, hielt es aber für sinnvoll, wenn sein Sohn erst einmal 'etwas Ordentliches' lernte. So schickte er ihn um Pfingsten 1808 zunächst an die Bergakademie in Freiberg, wo dieser den Bergbau studieren sollte. Hier lernte er auch seinen Freund  Friedrich Förster  kennen, der in den nächsten Jahren die Lebensstationen Körners begleitete; mit ihm zusammen fuhr er im Bergmannskittel unter Tage, um das Erz zu bearbeiten. Theodor war zunächst von der Bergbautechnik fasziniert, und er schilderte das Bergmannsleben in romantischer Verklärung:      

„Ohne Grauen, ohne Zaudern

dringen wir ins düstre Reich,

führen auf metallne Wände

 jauchzend den gewaltgen Streich...“

 

Sein „Berglied“ (1808) fand bald als ‚poetisches Leitbild'  des Bergmannslebens  weite  Verbreitung: 

„Glück auf! Glück auf! in der ewigen Nacht;

Glück auf in dem furchtbaren Schlunde.

Wir klettern heraus aus dem felsichten Schacht

zum erzgeschwängerten Grunde.

Tief unter der Erde, von Grausen bedeckt,

da hat uns das Schicksal das Ziel gesteckt…“

 

 T h e o d o r    K ö r n e r s    S t u d i e n z e i t

 

Schon während seines Studiums kam es immer wieder zu kleinen poetischen Versuchen. Im Sommer 1809 gewann  er unvergessliche Eindrücke bei seinen Wanderungen durch Schlesien und durchs Erzgebirge, die ihn zu lyrischen Stimmungsbildern beflügelten. Sehr bald musste er dem Vater eingestehen, dass das Bergwesen doch nicht ganz seinen Neigungen entsprach und er sich lieber  „den Studien der Naturwissenschaft weihen“  wollte.

Der Vater stimmte zu:

„Hat der Bergbau für Dich sein Interesse verloren, so getraue ich mir nicht, Dir zur Fortsetzung des Bergbaustudiums zuzureden. In Deinen Jahren denkt man zu wenig an die Mittel, sich vor künftigen Nahrungssorgen zu sichern. Es ziemt mir also, bei Deiner jetzigen Wahl, Dich auch an diesen Punkt zu erinnern...“

Und er ermutigte ihn:

 „Also nur nach dem Höchsten gestrebt, nur keine Erschlaffung, kein Stroh­feuer, keine Mittelmäßigkeit!“

 Im Jahre 1810 konnte durch die Fürsprache seines Vaters beim Verleger Göschen in Leipzig eine kleine Blütenlese der Gedichte Körners unter dem Titel „Knospen“ erscheinen. In der Einleitungsstrophe heißt es: „Knospen nennen wir uns, sind bescheiden freundliche Blümchen...Freilich sind wir noch klein und zart, und nur Träume des Lebens...“ Die veröffentlichten Gedichte wurden von der Kritik als erste Talentprobe des jungen Mannes durchaus wohlwollend aufgenommen; sie berechtigten – hieß es – zu freundlichen Erwartungen.      

Theodors Weg an die Leipziger Universität - der Geburtsstadt des Vaters - war nahe liegend. Am 8.10.1810 wurde er für das Studium der Kameralwissenschaften, der Verwaltungs- und Wirtschaftslehre seiner Zeit, immatrikuliert. Die damit verbundene Lösung vom Elternhaus trieb ihn zunächst in studentische Kreise und zu den Burschenschaften, was für ihn nicht unbedingt von Vorteil war; Händel und Duelle waren dort nämlich neben den üblichen Trinkgelagen an der Tagesordnung. Auch Theodor, der sein manchmal aufbrausendes Temperament nicht immer zügeln konnte, ließ sich bald in Streitereien mit Korpskameraden ein. Er wurde schließlich sogar von der Universität zu einer Karzerstrafe verurteilt, sodann am 19.6.1811 relegiert. Auch dem Vater schien es angebracht, dass Theodor das Leipziger Pflaster mied; so hatte er sich im Frühjahr nach Berlin begeben, wo er an der 1810 neu gegründeten Berliner Universität an den Vorlesungen von Niebuhr, Fichte und Schleiermacher sowie an der 'Singakademie' des Professors Zelter teilnahm. Ein Freund seiner Eltern, Hofrat Parthey, kümmerte sich um ihn und verschaffte ihm Zugang zu der ansehnlichen Privatbibliothek des Berliner Buchhändlers und Aufklärers Friedrich Nicolai. In dieser Zeit entstanden weitere Gedichte, vor allem Frühlings- und Liebesgedichte.                

Die äußere politische Situation spitzte sich in diesen Jahren zu: Große Teile Deutschlands standen unter Napoleonischer Herrschaft. 1809 zog Napoleon als Sieger in Wien ein; der Friede von Schönbrunn wurde geschlossen.  Österreich, Dresden und das Erzgebirge wurden von einem österreichischen Korps besetzt. Der Vater riet Theodor, nach Wien zu wechseln. Zunächst aber folgte ein Kuraufenthalt in Karlsbad im Juni 1811, bei dem er zum ersten Mall Goethe begegnete.  Seine Landschaftseindrücke während des Kuraufenthalts hielt er in verschiedenen Gedichten als „Erinnerungen an Karlsbad“ fest.                                                 

 

D i e    W i e n e r   Z e i t

 

Theodor Körner in seiner Wiener Zeit

Am 26.8.1811 trat Theodor Körner seine Reise nach Wien an. Versehen mit Empfehlungsbriefen an den preußischen Gesandten Wilhelm von Humboldt, der mit Körners Eltern befreundet war und ihm in Wien die ersten Kontakte vermittelte, wurde er schnell heimisch. Bei den Familien Humboldt und Schlegel war Theodor, der durch sein bescheidenes und höfliches Auftreten schnell Freunde gewann, gern zu Gast. Im Wiener Freundeskreis der Schlegels lernte er die Romantiker Clemens Brentano und Joseph von Eichendorff kennen sowie den schwäbischen Arzt und Dichter Justinus Kerner. Eichendorff beeindruckte er mit seinem „sächsischen Maule“, seiner burschikosen Art und seinem poetischen Feuer sehr: „Er macht nichts als dichten“.        

Der Glanz und die Atmosphäre in Wien beeindruckten Theodor sehr, auch wenn er sich an die Kleiderordnung der Adelskreise nur schwer gewöhnen konnte und aus seiner Abneigung gegen Seidenstrümpfe keinen Hehl machte. Am Neujahrstag 1812 schrieb er an seine Angehörigen in Dresden: „Zahllose Equipagen, Juwelen und Perlen, goldene Bedienten, silberne Jäger, gestickte Kutscher und gefiederte Läufer, ungarische Damen in Nationaltracht, Uniformen und Schleppen, kurz, was das Herz nur verlangen kann. Ich habe dergleichen Pracht nie gesehen...“

Allmählich gewann er Klarheit über seine eigentliche Bestimmung: „Ich über­zeuge mich alle Tage mehr, dass eigentlich Poesie das sei, wozu mich Gott  in die Welt geworfen“ . Auch seine Geschichtsstudien ordnete er dieser Erkenntnis  zu. Er plante ein historisches Drama über Konradin von Schwaben, von dem allerdings nur der Prolog und Planungsskizzen fertig wurden. Überhaupt gewann das Theater zunehmend Anziehungskraft auf ihn. Aus seinen ersten dramatischen Versuchen entstanden zwei kleine Lustspiele in einem Akt, verfasst in Alexandrinerversen. Sie wurden am Burgtheater angenommen. Der Abdruck einiger Gedichte in der Theaterzeitung machte ihn in der Wiener Gesellschaft bald bekannt.

Bei den Theaterproben zu seinem Lustspiel „Der grüne Domino“ lernte er eine junge Schauspielerin kennen, Antonie Adamberger, Tochter des Wiener Opernsängers Josef Valentin Adamberger, von deren Spiel er bald schwärmerisch schrieb: „Die Adamberger braucht nur den Mund zu öffnen, um zu bezaubern“. Sie sollte für ihn bald noch größere Bedeutung gewinnen.

An den Weihnachtstagen 1811 schrieb er ein Opernlibretto, „Das Fischermädchen“; es entstand in ganzen sieben Stunden. 1812 folgten weitere Theaterstücke wie „Die Sühne“, das mit großem Beifall an Goethes Theater in Weimar aufgeführt wurde, und - in einer freien Bearbeitung nach Kleists Novelle „Die Verlobung in St. Domingo“  - das Drama „Toni“, in dem seine „Toni“, Antonie Adamberger, die Titelrolle übernahm. Die Erfolge in Wien machten ihn sehr selbstbewusst und glücklich.

Von Neidern spürte er nichts: „Alle Dichter klagen über Cabalen; ich habe noch nichts davon empfunden...“, notierte er. Zwei anerkennende Briefe Goethes, der Körners Texte zu lesen bekommen hatte, bestärkten ihn auf seinem Weg. An den Vater schrieb Goethe inzwischen in Reaktion auf Körners Stücke „Toni“ und „Die Sühne“, sie zeugten „von einem entschiednen Talente, das aus einer glücklichen Jugendfülle  mit Leichtigkeit und Freiheit sehr gute und angenehme Sachen hervorbringt“. Später machte Goethe ihm das Angebot, Theodor in Weimar eine Zeitlang zu betreuen.

Die Schauspielerin  Antonie Adamberger
                                                               im Alter von etwa 22 Jahren

           Nach einem Miniaturporträt von Johann Monsorno

Theodors Körners Zuneigung zu Antonie wuchs, und schließlich verlobte er sich mit ihr; als er seinem Vater am 20.5.1812 von dieser Beziehung berichtete, klopfte ihm das Herz. Aber die Eltern nahmen Toni bei einem Besuch in Wien im August 1812 liebevoll an und akzeptierten sie voll und ganz. Seine „überströmenden Gefühle“ trieben Theodor zu rastlosem Schaffen an. Systematische Arbeit, Lektüre und Studien, darunter auch intensive Sprachstudien im Griechischen bestimmten seinen Tageslauf. In der Freizeit verkehrte er in den Wiener Gesellschaftskreisen, besonders bei der Schriftstellerin Caroline Pichler, den Schlegels und der Frau von Pereira. Bei solchen Gelegenheiten unterhielt er die Abendgesellschaften gern mit Liedern: „Körner singt u. spielt durch dikk u. dünn Lieder aus des Knaben Plunderhorn u. Burschenlieder“, notierte Eichendorff am 13.2.1812. Daneben sang der musikbegeisterte Poet Körner selbst bisweilen in Oratorien und Opernchören mit.

Weitere Theaterstücke entstanden in rascher Folge. Die Kritik Wilhelm von Humboldts am dramaturgischen Aufbau der „Rosamunde“  – die er stets für sein bestgelungenes Werk hielt – nahm er an; bereitwillig ging er auf Änderungsvorschläge ein. In einem vertraulichen Schreiben an den Vater hob  Wilhelm von Humboldt den immensen Fleiß Theodors hervor. Er fürchte aber, dass dieser „zu sehr das Dramatische im Auge hat und darüber das Poetische vernachlässigt.“ Seinen Rat an Theodor zu intensivem Literaturstudium verband er mit der Zuversicht, dass der junge Körner „künftig noch etwas viel Ausgezeichneteres leisten „ werde. Er empfehle ihm Studien am Weimarer Theater, dort könne ihm Goethe wertvolle Anregungen geben.

 S t e r n  a m  W i e n e r  T h e a t e r h i m m e l

 Körner beherrschte bald alle Regeln der Öffentlichkeitsarbeit. Ein Besuch des österreichischen Kaisers Franz I. und seiner Gemahlin bei den Theaterproben brachte ihm große Ehre ein, für die er sich nach der Aufführung von Händels „Alexanderfest“ mit einem enthusiastischen Gedicht bedankte, in dem er ein Loblied auf den Monarchen sang:

                 „Heil dir, mein Volk! Heil dir mein Vaterland!

               So lange solche Kaiser auf den Thronen

               Und Kunst und Liebe in den Herzen wohnen!“

 Die Uraufführung seines historischen Trauerspiels „Zriny“, den 'ungarischen Leonidas', wie er das Stück um den heldenhaften Freiheitskampf der Ungarn gegen die Türken nannte, brachte ihm zum Jahresende endgültig den künstlerischen Durchbruch. Schon Tage vorher waren viele Plätze im Theater an der Wien von ungarischen Besuchern vorbestellt. Effektvolle Dekorationen und ein Feuerregen rissen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Man rief den Dichter auf die Bühne und feierte ihn mit Ovationen, was damals sehr außergewöhnlich war. Der 21jährige Körner war nun  zum gefeierten Wiener Theaterliebling aufgestiegen.

Schon zwei Wochen später wurde, mit Antonie in der Titelrolle, sein Schau­spiel „Hedwig“ am Burgtheater uraufgeführt. Die Inszenierung wurde eben­falls ein überwältigender Erfolg. Theodor konnte seinen glücklichen Ange­hörigen mitteilen, er habe die Ehre, ihnen „in meiner Person den kaiserl. königl. Hoftheaterdichter Theodor Körner“ vorzustellen. Er wurde mit einem Dreijahresvertrag fest angestellt. Dafür sollte er jährlich zwei größere Dramen und zwei kleine Spiele liefern sowie Bearbeitungen übernehmen. Gehalt und Nebeneinnahmen durch Druckrechte eröffneten ihm immerhin die Aussicht auf jährlich etwa 3000 Gulden Wiener Währung.

Seine Ernennung wurde nicht überall neidlos und unkritisch aufgenommen. Die scharf urteilende Dorothea Schlegel etwa befürchtete,  Theodor könne dem Tagesapplaus erliegen und – eine Anspielung auf den populären Viel­schreiber August von Kotzebue (1761-1819) – „recht eindämmern in die allerkotzebuesche Gewöhnlichkeit“ und damit in das Fahrwasser des Massengeschmacks an trivialer Unterhaltung geraten. Ganz so unrecht hatte sie damit nicht, auch wohl nicht so ganz mit der Feststellung, seine Dramen bestünden aus lauter Reminiszenzen von Schiller.

Tatsächlich beherrschte er die Schillersche Bühnensprache mit Eleganz und wendete sein Gespür für theatralische Effekte mit großer Perfektion an. In Wien wurde Körner denn auch bald „der zweite Schiller“ genannt. Damit verstellte man sich zwangsläufig den Blick auf den eigenen Ton, den Körner zu finden suchte. Auch die formale und inhaltliche Vielfalt seiner Lyrik und die eigenen Körnerschen Elemente in ihr entgingen vielen späteren Kritikern.

D i e  E r h e b u n g  g e g e n   N a p o l e o n 

Napoleons Niederlage im Russlandfeldzug 1812 bot den europäischen Nachbarn Frankreichs die Möglichkeit, sich aus der Abhängigkeit von Frankreich zu lösen. Ein Offensiv- und Defensivbündnis zwischen Preußen und dem zaristischen Russland, das Bündnis von Kalisch 1812, öffnete den Weg dazu.

Die allgemeine Volkserhebung gegen Napoleon begann am 3.2.1813 in der schlesischen Hauptstadt Breslau mit einer Rede des Professors Hendrik Steffens an seine Studenten; ihr schlossen sich bald in Berlin öffentliche Aufrufe an, Freiwilligenkorps aufzustellen, um sich der napoleonischen Fremdherrschaft zu widersetzen. Im Hintergrund stand der Wunsch, die deutsche Kleinstaaterei zu überwinden, ein einiges Deutschland zu schaffen und die Zusammengehörigkeit aller Deutschen in einem Staat zum Ausdruck zu bringen. Das überwältigende Echo auf diese Aufrufe schilderte der Berliner Historiker Barthold Niebuhr damals in einem Brief:

„Das Gedränge der Freiwilligen, die sich einschreiben lassen, ist heute so groß auf dem Rathause wie bei Theuerung vor einem Bäckerladen...Es gehen junge Leute aus allen Ständen: Studenten, Gymnasiasten, Primaner, Handlungskommis, Apotheker, Handwerker aus allen Zünften; gereifte Män­ner von Amt und Stand...“

Es war fast ausschließlich das Bildungsbürgertum, das sich von den flam­menden patriotischen Appellen angesprochen fühlte. Den Spendenaufruf eines Berliner Bürgers am 31.3.1813 befolgten viele auch ärmere Menschen, indem sie ihre letzten Kostbarkeiten, ja sogar goldene Trauringe ablieferten. „Das Fieber des Deutschtums ergriff alle“, äußerte sich ein Zeitgenosse. Es kam zu deutlichen antifranzösischen Ressentiments.           

Der preußische Reitermajor Ludwig Adolf Wilhelm von Lützow wurde die eigentliche Symbolfigur des Befreiungskampfes. Ihm hatte König Friedrich Wilhelm III. die Bildung eines Freikorps übertragen, in dem alle nichtpreußi­schen Freiwilligen organisiert werden sollten; er konnte in kurzer Zeit rund 3000 Freiwillige um sich scharen; viele von ihnen waren froh, dem leidigen Gamaschendienst entronnen zu sein, die meisten waren in militärischer Hinsicht nur sehr mangelhaft aus­gebildet; sie hatten „mehr Mut und Idealismus als Kampferfahrung“ (Engelmann). Die Lützower Freikorps waren im Ganzen nur von untergeordneter militärischer Bedeutung.

Am 17. März 1813 - einen Tag nach der offiziellen Kriegserklärung Preußens an Frankreich - erließ der König in Breslau seinen berühmt gewordenen, von Theodor von Hippel verfassten Aufruf „An mein Volk“, in dem es hieß:

 „...Große Opfer werden von allen Ständen gefordert werden,...sie wiegen die Güter nicht auf, für die wir sie hingeben, für die wir streiten und siegen müs­sen, wenn wir nicht aufhören wollen, Preußen und Deutsche zu sein...Gott und unser fester Willen werden unserer gerechten Sache den Sieg verleihen...“

P o l i t i s c h e s  E n g a g e m e n t 

Längst hatte Theodor Körner in Wien von den politischen Ereignissen und den vaterländischen Strömungen in Deutschland gehört. Schon im Eltern­haus war Theodor in patriotischem Geist erzogen worden. Die Niederlage des Reichs, von vielen als Demütigung empfunden, war noch nicht verges­sen, der deutsche Kaiser hatte 1806 auf seinen Titel verzichten müssen und nannte sich nun Franz I. von Österreich Viele Staaten in Deutschland waren unter französischer Besatzung oder im Rheinbund von Napoleon abhängig. In Sachsen konzentrierten sich alle Hoffnungen auf Preußen, und auch Theodors Vater machte keinen Hehl daraus, dass er eine nationale Einigung Deutschlands, die viele Deutsche aus ihrer Identitätskrise befreien würde, begrüßte. Mehr und mehr festigte sich in dem jungen Schriftsteller die Über­zeugung, dass er in dem bevorstehenden Befreiungskampf eine politische Aufgabe übernehmen sollte. Das konnte aber nur bedeuten, dass er seine gerade gewonnene Stellung in Wien, die ihm einen festen Lebensunterhalt und größere Freiheiten zum Schreiben garantierte, vorläufig aufgab.

Sein Entschluss, sich dem Lützowschen Freikorps anzuschließen, darf kei­neswegs als Entscheidung des Augenblicks bewertet werden. Theodor Körners über mehrere Wochen dauernden inneren Kämpfe lassen sich gut aus dem Briefwechsel mit den Eltern in Dresden ablesen. Erste vage Andeu­tungen „es rückt ein großer Augenblick des Lebens heran. Seid überzeugt, Ihr findet mich Eurer nicht unwürdig, was auch die Prüfung gelte“ lösten bei den Eltern Ratlosigkeit und Unverständnis aus. Zunächst lasen sie aus diesem Satz Meinungsverschiedenheiten zwischen ihrem Sohn und seiner katholischen Braut heraus, was er bald korrigierte. Sie hätten ihn „ganz falsch verstanden. Ich hatte es auf den großen Kampf der Zeit gemünzt“.

In einem später viel zitierten Brief an den Vater vom 10.3.1813 schrieb er: „...Deutschland steht auf; der preußische Adler erweckt in allen treuen Her­zen durch seine kühnen Flügelschläge die Hoffnung einer deutschen, we­nigstens norddeutschen Freiheit...jetzt ist es...bei Gott ein würdiges Gefühl, das mich treibt, jetzt ist es die mächtige Überzeugung, dass kein Opfer zu groß sei für das höchste menschliche Gut, für seines Volkes Freiheit...“

Die möglichen Konsequenzen dieser Entscheidung sind ihm bewusst: „Ein böses Schicksal haust in meinen Plänen...“, formuliert er im Gedicht „Auf der Bank am Sauerbrunnen“ (S.27), und eine andere Strophe („Am Hedwig-Brunnen bei Jauer“) drückt sein inneres Ringen klagend so aus:            

„Wer hat mir meinen Freiheitsraum umgittert?

Wer durfte mich in diese Fesseln schlagen,

nur meine Pflicht, mein Wille konnt es wagen...“

 In seinem Gedicht „Abschied von Wien“ (S.41), das ebenfalls von seiner tiefen Zerrissenheit zeugt, begründete er seine Entscheidung mit der Not­wendigkeit, glaubwürdig und konsequent sein zu müssen: 

                „...was ich so oft gefeiert mit Gesang,

                für Volk und Freiheit ein begeistert Sterben:

                lasst mich nun selbst um diese Krone werben.“

 

Sein Urlaubsgesuch wurde akzeptiert, mit der Aussicht, später wieder auf den Theaterposten zurückzukehren. Er verabschiedete sich schweren Her­zens von seiner weinenden Braut und den Wiener Freunden und reiste am 15.3.1813 in die Heimat ab.

Der Maler Wilhelm von Kügelgen erinnerte sich später an die Lützower Jäger:

„Man schwärmte laut für sie, und da sie nicht für die Sonderinteressen ir­gendeines deutschen Stammes, sondern für die allgemeine deutsche Sache streiten wollten, so fehlte es nirgends, und auch in Dresden nicht, an jungen Helden, die sich in ihre Reihen drängten. Unter diesen mochte der damals schon in weiten Kreisen bekannte und persönlich so beliebte junge Dichter Theodor Körner eine der glänzendsten Erscheinungen sein. Den sehe ich noch, wie er, Abschied nehmend, vor meinen Eltern stand. Seine schöne Gestalt im Schmuck der Waffen, der begeisterte Blick seines Auges, sein freundliches Wesen, sowie die gute Meinung, die jeder von ihm hatte, das alles machte in mir den lebhaftesten Eindruck, und dankbar empfand ich's, dass er auch mich in seine Arme schloss.“

(„Jugenderinnerungen eines alten Mannes“).                                     

Am 21.3.1813 traf Körner in Breslau ein, wo er „die Gebildetsten und ausge­suchtesten Köpfe aus ganz Deutschland“ (Brief vom 26.3.1813) traf, darunter den später als „Turnvater Jahn“ bekannten Berliner Sportreformer Friedrich Ludwig Jahn und den mit ihm befreundeten Burschenschaftler Karl Friedrich Friesen. Sein Waffengefährte Friedrich Förster wurde später Verfasser einer Biographie Körners. Auch Joseph von Eichendorff und Karl Immermann sowie der Pädagoge Friedrich Fröbel gehörten zu den Lützower Jägern. Mit ihrer schwarzen Uniform, die rote Vorstöße und goldene Knöpfe hatte, schufen sie die späteren Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold. Ihre Klei­dung wurde das Vorbild der altdeutschen Tracht, mit der man seine patriotische Gesinnung zum Ausdruck brachte.

P o e t     d e r     B e f r e i u n g s k r i e g e   

Die feierliche Verabschiedung der Lützowschen Freischar erfolgte eine Woche später in der nicht weit von Zobten gelegenen Dorfkirche zu Rogau in Schlesien. In einem Festgottesdienst wurde Körners Choral „Wir liegen jetzt im Gotteshaus/andächtig auf den Knien“ gesungen. Nach der Predigt ließ der Pfarrer des Ortes, Peters, die Lützower Jäger einen Eid schwören, „für die Sache der Menschheit, des Vaterlandes und der Religion weder Blut noch Gut zu schonen“. Körner beschrieb die Atmosphäre in der Kirche in einem Brief so: „Bei dem Allmächtigen, es war ein Augenblick, wo in jeder Brust die Todesweihe flammend zuckte... 'Ein feste Burg ist unser Gott' machte das Ende dieser herrlichen Feierlichkeit“.

Über Striegau, Jauer und Goldberg ging es zur sächsischen Grenze. In einem vom Vater redigierten Aufruf wandte sich Theodor Körner an seine Landsleute, „in festem Vertrauen auf eure Rückkehr zu der guten, zu der heiligen Sache Gottes und des Vaterlandes“, mitzuhelfen, sich gegen 'die fremde Tyrannei' zu erheben:

„Auch du wirst aufstehen, deine Ketten schütteln... Es ist in unsrer Schar kein Unterschied der Geburt, des Standes, des Landes. Wir sind alle freie Män­ner“, hebt Körner hervor. „Wenn der Feind daniederliegt, die Feuerzeichen von den Bergen des Rheins rauchen und das deutsche Banner im Hauche französischer Lüfte flattert, dann hängen wir, Gott dankend, das Schwert an die Eichen des befreiten Vaterlandes auf und ziehen heim in Frieden...- Gott ist ja mit uns, und die gerechte Sache, und eine feste Burg ist unser Gott! Amen!“

In solchen Formulierungen spiegelt sich die protestantische Fröm­migkeit Körners, der auch an anderer Stelle die Auseinandersetzung mit Napoleon als „Kreuzzug“ und Kampf gegen den Unglauben beschreibt.

In seinem Gedicht „Aufruf“ aus dem Jahr 1813, das mit den Worten „Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen...“ beginnt, heißt es:

                 „Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen;

                Recht, Sitte, Tugend, Glauben und Gewissen

                hat der Tyrann aus deiner Brust gerissen;

                errette sie mit deiner Freiheit Sieg...“           

 Die Stationen der nächsten Monate hat Körner in seinem Kriegstagebuch stichwortartig festgehalten. Es war eine Zeit planloser Märsche und Ritte, die viel Leerlauf mit sich brachten. Ein Aufenthalt in Dresden brachte ihm Anfang April noch einmal eine Begegnung mit seinen Angehörigen, erneut begeg­nete er Goethe. In Leipzig kümmerte er sich um die Herausgabe seiner „freien deutschen Lieder“. Am 24.April konnte er seine Ernennung zum Leut­nant notieren. Die nächsten Wochen führten ihn - er war inzwischen Adjutant des Majors von Lützow - mit den Lützower Jägern durch das Königreich Preußen, nach Sachsen-Weimar und ins Königreich Sachsen.

Am 17.Juni 1813 wird er in einem Gefecht bei Kitzen schwer verwundet. Säbelhiebe eines französischen Offiziers, mit dem er als Parlamentär Verhandlungen führen will, bringen ihm eine schwere Kopfverletzung bei (vgl. sein Sonett „Abschied vom Leben“). Er kann sich ins Gebüsch zurückziehen, wird von Freunden in das besetzte Leipzig gebracht, wo er sich versteckt hält. Anfang Juli kann er sich im neutralen Karlsbad erholen, doch nach kurzer Genesungszeit zieht es ihn erneut zu den Freischärlern, mit denen er sich dann bis Mitte August im damaligen Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin aufhält.

Auch in diesen Wochen trägt er in sein blutfleckiges Tagebuch neue Texte ein, darunter als letztes am 24.8. in Kirchjesar das „Schwertlied“. Der Ton seiner letzten Lieder wird nun härter und immer stärker von Feindbildern und Rachegefühlen bestimmt.

Am Morgen des 26.August 1813 wurde er in einem Gefecht bei Gadebusch von einer Kugel getroffen. Seine trauernden Kameraden begruben ihn unter einer mächtigen Eiche bei Wöbbelin. Der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin überließ dieses Gelände der Familie Körner; nach seiner Schwe­ster Emma, die durch den Tod des Bruders schwer getroffen wurde und am 15.3.1815 starb, fanden auch seine Eltern und seine Tante später dort ihre letzte Ruhestätte: 1831 starb Christian Gottfried Körner, 1843 die Mutter. Zum 66.Todestag 1879 wurde eine Bronzebüste feierlich enthüllt, die das Andenken an den Dichter wach halten sollte.

 

„Bei Wöbbelin im freien Feld

auf Mecklenburger Grunde,

da ruht ein jugendlicher Held

an seiner Todeswunde.

 

Er war mit Lützows wilder Jagd

wohl in die Schlacht gezogen,

da hat er frisch und unverzagt

die Freiheit eingesogen.

 

Was ihm erfüllt die Heldenbrust,

er hat es uns gesungen,

dass Todesmut und Siegeslust

in unser Herz gedrungen.

 

Und wo er sang zu seinem Tross,

zu seinen schwarzen Rittern,

das Volk stand auf, der Sturm brach los

in tausend Ungewittern.

 

So ist die Leier und das Schwert,

bekränzt mit grünen Eichen,

dem Krieger wie dem Sänger wert,

ein treues Siegeszeichen.

 

Wo unser frisches Lied erklingt,

wo wir die Hüte schwenken,

und wo die Eisenbraut uns blinkt:

wir werden dein gedenken.“

(Friedrich Förster, 1813)

 


K ö r n e r s    r o m a n t i s c h e    u n d     p o l i t i s c h e 

L y r i k

 

„Feuer und Leben, Leidenschaft und Wirkung“ sei in reichem Maße in seinen Werken - dieses Urteil fällte Friedrich Schlegel über den Poeten mit der Gitarre, und er fügte hinzu:  „Wie sehr aber Theodor Körner wirklich Dichter war, das zeigt sich in einem ebenso hohen oder fast noch höhern Grade in seinen lyrischen Gedichten... In ihnen spricht er am meisten sich selbst aus.“ Die Gedichte Körners stehen zunächst sehr unter dem Einfluss Schillers, an dessen  Vorbild der junge Körner sich orientiert. Insofern spiegeln manche Texte Sprachduktus und Rhythmus Schillers, bisweilen dessen pathetischen Überschwang; andere erinnern an Gottfried August Bürger und an Goethe, zu  dessen Gedicht  „Nähe des Geliebten“ Körner ein Gegenstück schreibt . Beide Texte beziehen sich in ihrem Wechsel von Langzeile zu Kurz­zeile auf ein damals sehr verbreitetes Lied der Schriftstellerin Friederike Braun.

Theodor Körners Gedichte gewinnen dann zunehmend an eigener Statur, werden vielseitiger in formaler Hinsicht. Er verwendet kurze, volksliedartige Strophen ebenso wie den fünfhebigen Jambus der Bühnensprache, dichtet in Hexa­metern („Dresden 1813“) und Alexandrinern; in diesem Versmaß der Barock­zeit hat er  auch seine Lustspiele „Der grüne Domino“, „Die Braut“ und seine fragmentarische Idylle „Eduard und Veronika. Eine Reise durch das Riesengebirge“ (1809) verfasst.

Eine besondere Vorliebe hat er für die Form des klassischen Sonetts, in der er zahlreiche Themen behandelt. Aber auch freiere Strophenformen wie in dem Gedichtzyklus „Die Monatssteine“, aus dem hier das Gedicht „Im Mai“ aufgenommen ist, gestaltet er mit Leichtigkeit. Außerdem entstanden noch zahlreiche Epigramme, Rätselverse („Scharaden“) und Anagramme, daneben manche Widmungsgedichte und Poesiealben - Einträge, die man später penibel gesammelt hat.

In wenigen Jahren entstanden über 250 Gedichte, von denen hier nur eine kleine Auswahl vorgelegt werden kann. Was den Inhalt und die Themen seiner Lyrik betrifft, so zeigen sie vor dem Hintergrund des Umbruchs von der Weimarer Klassik zur literarischen Strömung der Romantik eine erstaun­liche Vielfalt. Gefühlvolle Liebes- und Naturgedichte, Stimmungsbilder der heimischen Landschaft, Reiseerinnerungen und geistliche Texte stehen neben solchen Gedichten, die unter dem Eindruck von Gemälden oder aufwühlenden Theatererlebnissen entstanden sind - auch wenn er hier seine Gefühle bald auf Antonie Adamberger konzentrierte, seine „Toni“, von deren faszinierendem Theater­spiel er sehr ergriffen war.

Dem besonderen Geschmack der damaligen Zeit entsprechend gestaltete Körner auch verschiedene Balladen wie „Spielmann und Zither“, „Der Totenkranz“, „Simsons Rache“ oder „Der Kynast“, sowie Romanzen („Harras, der kühne Springer“) und zahlreiche gesellige Lieder.

Überhaupt muss man feststellen, dass viele seiner Gedichte die persönliche „Sturm- und Drang“ - Periode des jugendlichen Theodor Körner erkennen lassen. Die ihm ja noch fehlende Lebenserfahrung verleitet ihn zu manchen verträumten Schwärmereien. Zwischen die stimmungsvoll-romantischen Gedichte, die teilweise schon den lockeren Klang  Heinrich Heines andeuten, mischen sich aber auch andere, in denen ernstere, schwermütige Töne und eine dunkle Todessehnsucht durchschimmern.

Mit der Hinwendung zum politischen Engagement verliert Körners Lyrik aber auch ihre bisherige Unbefangenheit. Er wird zum „Poet der Befreiungs­kriege“ und propagiert eine Opferbereitschaft, die nicht allein mit patrioti­schem Überschwang erklärt werden kann. Schillers Worte aus „Wallenstein“ dürften sich auch bei ihm festgesetzt haben:

                Und setzet ihr nicht das Leben ein,

                nie wird euch das Leben gewonnen sein.“

Bei Körner heißt es ähnlich:

 

„Der Freiheit Weg geht durch des Todes Schmerz“ („Andreas Hofers Tod“) 

und an anderer Stelle :  

                „Gut und Blut für Volk und Freiheit geben,

                nenn die Tat, die sich der Tat vergleicht!“

(Auf dem Schlachtfelde von Aspern“)

 Aus seinen Gedichten und Liedern sprächen seine „glühende Vaterlands­liebe, hoher Sinn für Freiheit, brennender Hass gegen Unterdrückung und Tyrannei..., aber auch die zartesten Gefühle für seine Lieben, ein triumphi­render Glaube an Gott, und eine helle Zuversicht für die Sache des Rechts“, so fasste sein Biograph E. A. Tiedge sein Urteil über Körners Lyrik zusammen.

 

Vieles von seiner politischen Lyrik spiegelt den Zeitgeist jener Jahre, sie greift begierig den patriotischen Grundton Fichtes auf, für den das Vaterland jedes Opfer zu verlangen berechtigt ist. Dieses Opfer zu bringen hatte für Körner aber nur Sinn, wenn es zur Befreiung von Tyrannei und Unterdrückung seines Volkes führte  — eine Rechtfertigung für imperialisti­sche Raubzüge wollte er gewiss nicht liefern. So äußert er im „Jägerlied“:

 

                „Nicht zum Erobern zogen wir

                vom väterlichen Herd.

                Die schändlichste Tyrannenmacht

                bekämpfen wir in freud' ger Schlacht.

                Das ist des Blutes wert...“

 

Er stand mit seinen patriotischen Gefühlen nicht allein. Auch Max von Schenkendorf, Joseph von Eichendorff, Friedrich de la Motte - Fouqué und Ernst Moritz Arndt standen in dieser Strömung. Arndt hatte die Frage „Was ist des Deutschen Vaterland?“ – angesichts der politischen Zerrissenheit deutscher Kleinstaaterei — mit dem Ruf nach deutscher Einheit beantwortet: „Das ganze Deutschland muss es sein!“ und die patriotische Begeisterung der damaligen Zeit mit seinem Lied „Der Gott, der Eisen wachsen ließ“ mit deutlichen antifranzösischen Tönen unterlegt. Es ist auch kein Zufall, dass das Bild der 'Hermannsschlacht' - wie Kleists gleichnamiges Drama (1808) über den Befreiungskampf der Germanen gegen das römische Imperium hieß - im 19. Jahrhundert immer wieder beschworen wurde.

 

Die Idealisierung des Freiheitskampfes gegen Napoleon bei Körner als „Volkserhebung“ – wie er und manche Zeitgenossen es gesehen haben – geht an der Wirklichkeit aber etwas vorbei:  „Was Theodor Körner anders gedichtet: 'Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen', ...geschichtliche Wahrheit ist es nicht“, hat hierzu Sebastian Haffner festgestellt; denn die politischen Ziele des Befreiungskrieges wurden von der Monarchie und ihren Repräsentanten bestimmt. Dass das Etikett „Freiheitsdichter“, mit dem man den Schriftsteller Theodor Körner charakterisiert hat, ihm insgesamt nicht gerecht wird und auch nur einen Teil seines poetischen Schaffens wirklich charakterisiert, wird dem Leser seiner ganzen Gedichte schnell deutlich.

 

Dennoch hat seine Lyrik die Bereitschaft zum Opfertod vieler junger Solda­ten bis in die Kriege dieses Jahrhunderts hinein unterstützt; dies ist außer Frage. Sein „Gebet während der Schlacht“, von dem Berliner Hofkapellmei­ster Friedrich Heinrich Himmel (1765-1814) in Körners Todesjahr kompo­niert, findet sich noch 100 Jahre später im „Chorbuch für höhere Knaben­schulen“. Darin wird die bedingungslose Bereitschaft zum Tod im Kampf religiös begründet und als gottgewollt hingestellt:                  

 

                 „Vater du, führ mich zum Siege,

                führ mich zum Tode. 

                Herr, ich erkenne deine Gebote,

                Herr, wie du willst,

                so führe mich.“

 

Den Vorwurf des Chauvinismus kann man manchen Texten Körners nicht ersparen. Man sollte aber gerechterweise auch berücksichtigen, dass Körner zur Entstehungszeit seiner letzten Kriegslieder „im Biwak“ unter seinen Lützower Kameraden weilte. Unter dem Eindruck seiner Erfahrungen verfestigen sich seine Feindbilder; in geselliger Runde verspottet er die Gegner als „Schurkenbrut“ und droht ihnen Rache 'ohn Erbarmen' an. Nach dem Überfall bei Kitzen und dem Tod seines Kameraden Wilknitz ruft er diesem nach:

 

                „Noch kann ich nichts, als deine Größe singen,

                doch wenn die Schlachtenlosung niederfällt,

                wenn die Trompeten todeslustig klingen

                und der Würgengel seine Hochzeit hält:

                dann darf ich dir den Stahl der Rache schwingen...“

(„Auf Wilknitzens Tod“)

 Es darf auch nicht verschwiegen werden, dass die in seinem kampflüsternen Kriegslied „Männer und Buben“ enthaltenen und oft zitierten Verszeilen „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los“, mit denen er zum Volksaufstand gegen den 'Ty­rannen' Napoleon aufruft, später in der aufgeheizten Sportpalast-Atmo­sphäre des 18. 2.1943 durch Goebbels demagogisch benutzt wurden. Diese Worte blieben haften als Parole der Durchhalte-Propaganda des Dritten Reiches.

D i e   D r a m e n   u n d  O p e r n

 

Bei der Betrachtung der Leistungen Körners als Dramatiker fällt zunächst einmal seine außerordentliche Produktivität ins Auge: in kurzer Zeit 'produ­zierte' er fünf Lustspiele, sechs Dramen und fünf Opernlibretti. Seine Pläne zu einer „Faust“- Oper konnte er nicht mehr realisieren.

An die Qualität seiner Opern und Singspiele, die fast alle vertont und wieder­holt aufgeführt wurden, darf man keine sehr hohen Maßstäbe anlegen;  die meisten sind heute so gut wie vergessen. Lediglich seine Oper „La Vedette“ („Die Wache“) konnte sich unter dem Titel „Der vierjährige Posten“ in der Vertonung Franz Schuberts zeitweise einen Platz im Opernrepertoire sichern.

Seine Komödien waren damals außerordentlich wirkungsvolle und bühnen­gerechte Unterhaltungsstücke. Es waren Verwechslungskomödien im Stil der Zeit mit dem üblichen Kleidertausch und viel Situationskomik.  Besonders gilt dies für das Stück „Der Nachtwächter“, eine Posse, die sich  im vorigen Jahrhundert lange auf den Spielplänen der Dorfbühnen hielt.  Aber auch  „Die Gouvernante“ - hier hält ein als alte Dame verkleidetes junges Mädchen der sittenstrengen Gouvernante eine witzige Predigt über die Verderbtheit der Welt - besticht durch komische Effekte und Wortspiele mit viel Witz und schnellem Tempo. Theodor Körner hatte ein erstaunliches Gespür für Komik und setzte seine Pointen an den richtigen Stellen. Die Beschränkung auf wenige Figuren kam dabei der Spielbarkeit seiner Stücke zugute. Erst 1922 veröffentlicht wurde der Einakter „Cleant und Cephise“, eine Verkleidungskomödie in Alexandrinern, die einen Ehezwist und eine Treueprobe zum Thema hat. Das Lustspiel wurde am 23.9.1893 im Kgl. Schauspielhaus in Dresden uraufgeführt.

Körner selbst hat sich eher als Tragödiendichter verstanden, und in der Tat, seine tragischen Dramen hinterließen damals die stärksten Eindrücke. Als heroisches Drama ist dabei die Tragödie 'Zriny' von ganz besonderer Bedeutung. Es entstand nach ausführlichen Vorstudien in einem halben Jahr. Körner stützte sich auf die Chronik des Ortelius (1665) und auf die dramatische Behandlung desselben Stoffes durch Klemens Werthes  („Niklas Zriny“, 1790) und Joh. Baptist Pyrkes (1810).

Im Mittelpunkt des Trauerspiels steht der aufopferungsvolle Kampf des ungarischen Grafen Niclas von Zriny gegen die Übermacht der angreifenden Janitscharen. Historischer Hintergrund war die Belagerung von Schloss Szigethvár an der Drau durch den Osmanenherrscher Sultan Süleiman II. im Jahre 1566. Körner lässt die Figur des Grafen Zriny zur Heldengestalt werden; todesmutig opfert sich Zriny selbst, um die Türken in eine Falle zu locken; unter lohenden Flammen begräbt die Burg eine große Schar von Angreifern, und Ungarn kann damit der Übermacht der Feinde trotzen. Dem Wiener Theaterpublikum musste diese Tragödie nicht nur  wegen ihrer packenden Bühnensprache gefallen, sondern auch, weil ihr Autor an verschiedenen Stellen des Dramas Anspielungen an die ruhmreiche Vergangenheit Österreichs und Ungarns eingefügt hatte.

So lässt er den Großwesir Memeth sagen: 

„Stand dieses Szigeth nicht wie Felsen fest,

            und fester noch die Treue seiner Mannen,

            längst jauchzten wir auf Wiens erstürmtem Wall, 

            und Deutschland läg vor unserm Gott im Staube.“

 

Zugleich rührte Körner das Publikum durch die Liebesbeziehung zwischen Helene, der Tochter Zrinys und dem jungen Juranitsch - die Verwandtschaft zu Thekla und Max in Schillers 'Wallenstein' war nicht zu übersehen. In die Figur des Juranitsch brachte Körner manche Züge ein, die ihn selbst später bewogen haben, sich politisch gegen Napoleon zu engagieren. Mit den Wor­ten Juranitschs spricht Körner zugleich über sich selbst:

 

                „...denkt - seid ihr gerettet-

                im sanften Schmerz der Tränen auch an mich,

                der euch so heiß geliebt und doch 

                den ganzen Traum des Glückes hingeworfen,

                weil es das Wohl des Vaterlandes galt... 

                Mein Vaterland sei stolz auf dieses Opfer!“

Ähnlich wie Zriny ist auch Joseph Heyderich, die Titelgestalt aus dem gleichnamigen Prosadrama Körners (Febr.1813), ein Vorbild preußischer Tugenden, das seine soldatischen Pflichten bedingungslos erfüllt.

Sein Drama 'Rosamunde' , ebenfalls eine historische Tragödie, hielt Körner für sein bestgelungenes Theaterstück. Es gestaltet die Beziehung zwischen Heinrich II. und Rosamunde Clifford, welche der Rache der rechtmäßigen Gemahlin Heinrichs zum Opfer fällt. Manche Passagen des Dramas lassen - wie Friedrich Förster es formuliert hat - „das durch und durch musikalische Gemüt“ Körners eindrucksvoll erkennen. Als Beispiel sollen hier die Worte Richards, des Grafen von Poitou stehen:

               

„Da klang ein Zauberton in meine Seele,

von fern herüber, der das tiefste Mark 

mit einklangsvoller Seligkeit durchbebte.

Die Pulse stockten mir, ich wagte nicht   

des Atems leisen Wellenzug zu trinken.   

Es wurde jeder Nerve zum Gehör,    

und wie zum Kusse öffnen sich die Lippen,  

wollüstig von der liedbewegten Luft

den Hauch der Silberstimme einzuatmen.

Da schweigt das Lied...

 (...)     

 ... wir aber hängen träumend    

auf unsern Rossen, und das Seelenauge  

malt aus der Stimme Zauberharmonien 

sich seiner Schönheit Rätselbild zusammen...“

 

Bedenkt man das recht jugendliche Alter, in dem Körner vor seinem Auf­bruch zu den Lützower Jägern stand, so ist die dichterische Gesamtleistung und Produktivität des Lyrikers und Dramatikers Theodor Körner bis dahin außerordentlich erstaunlich.

 

Was man an Kritik an seinen Theaterstücken vorzubringen hatte, war im wesentlichen der Vorwurf, manchen seiner Figuren fehle die psychologische Durchdringung, die positiven Helden seien durchweg als solche erkennbar, die Schurken offensichtlich als Schurken gezeichnet. Daneben bemängelte man manche Grausamkeiten der Handlung wie in „Hedwig“, worin der da­mals beliebte Bruderzwist zu einer tragischen Mordtat gesteigert wird. „Das Sujet... ist wirklich über alle Maßen grässlich“, urteilte Körner selbst; aber auch dieses Drama wurde mit Beifall aufgenommen und zu einem Triumph Antonie Adambergers, deren schauspielerische Fähigkeiten Clemens Brentano ein Jahr später in den höchsten Tönen lobte:

„Welches Herz, welche Sprache... kein Gesang kann so rühren... ich habe nie eine Schauspielerin gesehen von so reichen Gaben.“

 

 


 

 

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